Die Jonges. Und die Zukunft.

von Dr. Stephan Keller

Ich habe neulich in einem Interview drei Gründe genannt, weshalb ich nicht im erweiterten Vorstand der Düsseldorfer Jonges mitarbeiten werde. Besonders zum dritten Punkt, in dem ich mich für die Aufnahme von Frauen bei den Jonges ausgesprochen habe, gab es viel positives Feedback, aber auch viele Spekulationen. Deshalb hier noch einmal meine persönliche Version:

Aller guten Gründe sind drei.

Bereits im Herbst 2021 wurde ich von Wolfgang Rolshoven gefragt, ob ich es mir vorstellen könne, im erweiterten Jonges-Vorstand mitzuarbeiten. Ich habe ihm damals schon gesagt, dass ich dieser Bitte nicht nachkommen möchte, ihm die Gründe hierfür aber noch einmal erläutern wolle. Als dann in den vergangenen Monaten zwei persönliche Termine nicht zustande gekommen sind, habe ich ihm dazu geschrieben. Zusammengefasst hier meine drei Gründe:

  1. Ich vertrete in meiner Funktion als Oberbürgermeister unabhängig die städtischen Interessen, also die der Verwaltung und des Rates. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass diese nicht unbedingt immer deckungsgleich mit den Interessen der Jonges sein müssen. Interessenkonflikte wären hier vorprogrammiert – und ich möchte und werde mir meine Unabhängigkeit bewahren.
  2. Wolfgang Rolshoven hat seinerzeit gesagt, er würde sich gerne mit dem Oberbürgermeister im Vorstand schmücken. Wenn ich in einen Vorstand eintrete, dann, um tatkräftig mitzuarbeiten – und nicht, um ihn zu dekorieren.
  3. Die Jonges sind ein reiner Männerverein, Frauen wird die Mitgliedschaft bis heute verwehrt. Und nein: Sporadische Einladungen von Frauen als Gast-Referentinnen sind nicht mit einer Mitgliedschaft zu vergleichen. Auch als Oberbürgermeister setze ich mich – aus ehrlicher Überzeugung – jeden Tag für Gleichberechtigung ein. Gerade Düsseldorf ist eine Stadt, in der Weltoffenheit, Modernität, Toleranz und Vielfalt nicht nur dahingesagt, sondern wirklich gelebt werden. Darauf bin ich stolz, denn auch ich fühle mich diesen Werten verpflichtet. Deshalb kann und werde ich keine führende Funktion in einem Verein übernehmen, der nach wie vor die Hälfte der Düsseldorfer Bevölkerung per se ausschließt – und damit diskriminiert.

Sollte das alles irgendwann deckungsgleich mit der Ausrichtung der Jonges sein, habe ich angeboten, nach meiner aktiven Amtszeit gerne für eine Mitarbeit im erweiterten Vorstand zur Verfügung zu stehen. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass gerade ein Verein, der gesellschaftspolitisch mitreden möchte, auch diskriminierungsfrei zugänglich sein muss.

Wie es ist.

Gerade der dritte Punkt scheint einen Nerv getroffen zu haben, und viele fanden es wohl auch mutig, dass ich das Thema offen angesprochen habe. Aber ist es wirklich mutig, Dinge zu benennen, wie sie sind? Ich hoffe nicht!

Und zum Thema „Diskriminierung“: Eine Diskriminierung im rechtlichen Sinne ist eine Ungleichbehandlung einer Person aufgrund einer (oder mehrerer) rechtlich geschützter Diskriminierungskategorien ohne einen sachlichen Grund. Ein sachlicher Grund, keine Frauen aufzunehmen, wurde bisher aber noch in keinem Zusammenhang genannt.

Und so haben sich in den vergangenen Tagen viele Frauen, aber auch viele Männer (!) an mich gewendet, die gerne Mitglied bei den Jonges werden würden, wenn sie kein reiner Männerbund mehr wären.

Männerbünde fürs Leben.

Zunächst: Ich schätze die Jonges, weil viele sich engagiert und ehrenamtlich für unsere Stadt einsetzen. Als ich damals Verkehrsdezernent in Düsseldorf geworden bin, war ich noch recht jung und neu in der Funktion und der Stadt. Ich habe mich gefreut, als ich gefragt wurde, ob ich nicht Mitglied werden möchte. Ich wusste, dass die Jonges sich für Düsseldorf engagieren und natürlich auch, dass sie ein großes Netzwerk mit allen Vorteilen eines starken Netzwerks sind. Dazu kam, dass meine Tischgemeinschaft auch wirklich sehr nett war und ist.

In den vergangenen Jahren kam jedoch verstärkt das Thema auf, warum es so wenig Frauen in Führungspositionen gibt. Und das betrifft auch Düsseldorf. Das Vorurteil, dass Frauen vielleicht gar nicht in Führungspositionen wollen, kann ich definitiv nicht bestätigen. Meiner Meinung nach liegt es vor allem auch daran, dass Frauen in unserer Gesellschaft viele Netzwerke nicht offenstehen. Und Netzwerke sind nicht nur im privaten Bereich, sondern auch für das berufliche Fortkommen unglaublich wichtig.

Und Fakt ist doch: Wäre ich eine junge Dezernentin gewesen, wäre ich eben nicht eingeladen worden. Und damit wäre mir der Zugang zum größten Düsseldorfer Netzwerk versperrt geblieben.

Männernetzwerke gibt es natürlich nicht nur in unserer Stadt, sondern überall, auch in vielen Unternehmen und in vielen Verwaltungen. Aber wenn wir Gleichberechtigung wirklich ernst nehmen, und das behaupten wir ja alle, dann müssen wir das ändern. Ich mache das übrigens seit Jahren in all meinen Funktionen. Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass gemischte Teams – und damit auch Führungsteams – erfolgreicher und besser sind. Und ich freue mich, dass sie mittlerweile auch als moderner und zukunftsweisender wahrgenommen werden.

Die Jonges. Und die Frauen.

Bisher kommen Frauen bei den Jonges als Referentinnen und in der Verbandszeitschrift unter der Rubrik „Däm Jong sinn Weit“ vor. Nun hat sich Wolfgang Rolshoven aktuell geäußert, dass die Debatte um eine Mitgliedschaft von Frauen im Verein schon länger geführt werde und dass auch der Vorstand hierfür Raum biete.

Gut so! Dann können wir uns ja gemeinsam auf den Weg in ein modernes und zukunftsfestes Düsseldorf machen. Der Zeitpunkt ist perfekt. Denn mittlerweile ist uns wohl allen bewusst, dass gerade wichtige Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung Änderungen notwendig machen. Und zwar bei uns allen.

Jetzt kann man natürlich der Meinung sein, dass dann zumindest bei den Jonges alles so bleiben soll, wie es immer war. Oder man öffnet sich aus einer Position der Stärke und sagt: Gerade als beliebter Verein und attraktives Netzwerk in einer weltoffenen Stadt wie Düsseldorf bieten wir auch den anderen 50% unserer Bevölkerung eine mögliche Heimat.

Jedenfalls ist es an der Zeit, dass die Diskussion auch öffentlich geführt wird. Und zwar nicht nur auf formaler Ebene, sondern auf einer inhaltlichen. Ich bin jetzt schon auf die Vorschläge von Wolfgang Rolshoven und dem Vorstand gespannt. Denn ich bin davon überzeugt, dass der Verein gewinnen würde, wenn er in Zukunft nicht nur junge Verkehrsdezernenten zu sich einladen und ihnen sein Netzwerk öffnen würde, sondern auch junge Verkehrsdezernentinnen.

In diesem Sinne – mit heimatlichem Gruß

Ihr Stephan Keller