DIE FÜCHSE.
EIN ANSPRUCHSVOLLER FALL

von Dr. Stephan Keller

Der Fall des Gemäldes „Die Füchse“ von Franz Marc beschäftigt mich in meiner Tätigkeit als Oberbürgermeister nun schon seit mehreren Monaten – und die Stadt Düsseldorf bereits seit mehreren Jahren. Die Anfänge gehen jedoch viel weiter zurück – in die dunklen 1930er-Jahre.

Kurt Grawi, der ehemalige Besitzer des Gemäldes, war ein jüdischer Banker, Unternehmer und Kunstsammler. Er wurde von den Nationalsozialisten verfolgt und 1938 sogar im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Ein Jahr darauf gelang ihm die Flucht vor dem Naziregime nach Santiago de Chile zur Familie des ersten Ehemanns seiner Frau Else. Seiner Frau gelang ein Jahr später die Ausreise nach Chile.

Das Gemälde „Die Füchse“ des expressionistischen Malers Franz Marc befand sich seit 1928 in seinem Besitz. Es gelangte im Jahr 1939 mit Hilfe eines Freundes über Frankreich auf dem Seeweg nach New York zu Ernst Simon, einem weiteren Freund. Dort wurde es im Auftrag von Kurt Grawi im Jahr 1940 an den deutsch-amerikanischen Regisseur William Dieterle verkauft. Der Erlös bedeutete für Kurt Grawi „die Grundlage der Auswanderung“.

William Dieterle wollte das 1961 in einer Schweizer Auktion verkaufen. Aus dieser wurde es zurückgezogen und an Helmut Horten vermittelt, der es im Jahr 1962 der Städtischen Kunstsammlung Düsseldorf schenkte.

Verschiedene Standpunkte zum Verkauf

Über die Umstände des Verkaufs des Bildes von Kurt Grawi im Jahr 1940 gehen die Meinungen auseinander. Die Erbengemeinschaft führt an, dass Kurt Grawi das Bild als Resultat seiner Verfolgung durch die Nationalsozialisten verkaufen musste. Der Verlust des Bildes sei also ein verfolgungsbedingter Verlust.

Die Stadt Düsseldorf vertrat 2018 die Meinung, dass sich nach Quellenlage sowohl Kurt Grawi als auch das Gemälde zum Verkaufszeitpunkt nicht mehr in Deutschland befanden und damit nicht mehr im Einflussbereich der Nationalsozialisten. Das Gemälde wurde in den USA wohl zu einem marktüblichen Preis verkauft, und es ist auch anzunehmen, dass Kurt Grawi den vereinbarten Kaufpreis zu seiner Verfügung erhielt.

Einschalten der Beratenden Kommission

Die Stadt Düsseldorf hatte der Erbengemeinschaft jedoch schon im Jahr 2017 angeboten, den Fall des Gemäldes der Beratenden Kommission vorzulegen. Diese wurde 2003 eingerichtet mit dem Ziel, Empfehlungen im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts auszusprechen. Dieses Angebot wurde von der Erbengemeinschaft Ende 2018 angenommen. Die Kommission wird immer von beiden Seiten eingeschaltet mit der Maßgabe, eine Mediation durch die Kommission und ggf. eine Empfehlung herbeizuführen, die dann auch befolgt werden sollte.

Nach der Anhörung am 10. Februar 2021 empfahl die Kommission am 26. März 2021 der Stadt Düsseldorf die Restitution des Gemäldes, und damit die Rückgabe an die Erbengemeinschaft. Die Kommission sah den Verkauf des Gemäldes in New York als unmittelbare Folge der Inhaftierung und der anschließenden Flucht und damit als Folge nationalsozialistischer Verfolgung.

Die Entscheidung der Kommission war in der Fachwelt zwar umstritten, für mich stand aber von Anfang an außer Frage, dass wir uns an die Empfehlung der Kommission halten würden.

Empfehlung an den Rat

Mit der Ratsvorlage für die Ratssitzung am 29. April 2021 hat die Verwaltung dem Rat dann auch vorgeschlagen, das Gemälde an die Erben zurückzugeben.

Doch als das Ergebnis der beratenden Kommission bekannt wurde, veröffentlichte ein pensionierter Verwaltungsrichter einen Artikel in der FAZ, in dem er die Behauptung aufstellte, dass eine Rückgabe des Bildes von Seiten der Stadt Düsseldorf rechtswidrig und sogar strafbar sei. Dies führte bei uns im Rat natürlich zu Verunsicherung.

In der Sitzung habe ich den Rat unserer Stadt dann eindringlich darum gebeten, der Vorlage ohne Wenn und Aber zu folgen. Der Rat hat in der Sitzung dann auch entsprechend entschieden. Darüber habe ich mich sehr gefreut.

Was danach geschah

Nach dem Ratsbeschluss hat der pensionierte Verwaltungsrichter Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der Stadt Düsseldorf erstattet, weil er nach wie vor der Meinung war, dass wir das Bild nicht zurückgeben dürfen. Wir haben in der Stadtverwaltung daraufhin entschieden, vor der Rückgabe die Entscheidung der Staatsanwaltschaft abzuwarten.

Mit der Strafanzeige wurde zusätzlich die Frage aufgeworfen, ob die Rückgabe an die Erben eine Schenkungssteuerpflicht auslösen würde. Meine Meinung dazu: Ich würde das für eine Zumutung halten. Denn eine Restitution ist niemals eine Schenkung, sondern immer eine Rückgabe an die rechtmäßigen Eigentümer. Eine Besteuerung dieses Vorgangs würde den Grundgedanken der Restitution ad absurdum führen. Unser Staat kann nicht durch eine Steuer an der Wiedergutmachung von nationalsozialistischem Unrecht profitieren.

Deshalb habe ich nochmals meinen Entschluss bekräftigt, das Bild nun umgehend zurückzugeben und auch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf wollte nicht gegen die Stadt wegen der Rückgabe ermitteln. Wir stimmen den genauen Vorgang noch in den kommenden Tagen ab. Das heißt: Wir werden das Bild in den kommenden Tagen an die Erbengemeinschaft zurückgeben.

Ich bin froh, wenn dieser anspruchsvolle Fall damit für uns abgeschlossen ist. Denn mein Anspruch als Oberbürgermeister ist es, dass wir in Düsseldorf unserer Verantwortung stets gerecht werden. Dafür stehe ich, auch dafür bin ich angetreten, und dafür halte ich auch kontroverse Diskussionen in der Presse aus.